Am Donnerstag, 11. Oktober, tauchten zu ungewöhnlicher Uhrzeit, nämlich um 11.00 vormittags ca. 200 Streikende vor der Otto-Hauptverwaltung in Hamburg auf. Jeden Streiktag waren wir mit der Früh- und Spätschicht vor die Hauptverwaltung gezogen und hatten vor den versammelten Führungskräften der HWS kurze Kundgebungen abgehalten. Nun standen wir dort um 11.00, spielten in dröhnender Lautstärke das neue Hamburger Schlachtlied: „Ich werde es immer wieder tun … mit dir“ ab, bei dem alle begeistert mitsangen und die Fahnen schwenkten.
Der Kollege Pumm, DGB-Vorsitzender und SPD-Bürgerschaftsabgeordneter sagte über Mikrofon, dass die Streikenden eine Unterredung mit dem Vorstandsvorsitzenden der Otto-Group, Hans Otto Schrader, wünschten. Die Streikenden hatten in Hamburg und Haldensleben auf Zetteln aufgeschrieben, warum sie streiken und was die Forderungen bzw. die Realisierung der Forderung für sie bedeuten. Diese Zettel hatten sie zu langen Papierrollen aneinander geklebt und wollten sie Schrader übergeben.
Auf den Zetteln kam insbesondere zum Ausdruck, dass die Streikenden sich nach dem Outsourcing-Prozess als Arbeiter zweiter Klasse bei Otto fühlen: Während bei ihnen Zulagen gestrichen wurden, wurde zum Teil bei Otto-Angestellten noch aufgestockt. Die Wut und Enttäuschung über die unterschiedliche Behandlung von Mitarbeitern, die wachsende Kluft zwischen steigenden Managergehältern, sinkenden Reallöhnen der outgesourcten KollegInnen sowie deren steigende Arbeitsdichte wurde auf den Zetteln mehr als deutlich.
Ein Telefonat von der Kundgebung vor der Verwaltung mit dem Vorzimmer des Vorstandsvorsitzenden ergab, dass dieser sich für nicht zuständig erklärte und den Geschäftsführer der HWS, Dieter Urbanke, bat, zu den Streikenden hinunterzukommen. Die Streikenden waren jedoch der Ansicht, dass sie aber Herrn Schrader mit einer Delegation sprechen wollen und gingen entschlossen auf den Eingang der Hauptverwaltung zu.
Sicherheitskräfte schoben sich rasch dazwischen, aber ca. fünf KollegInnen standen dann doch im geräumigen Foyer mitsamt Presse, während ca. 100 KollegInnen im Zwischenraum des Eingangs standen und die Papierrollen über die Köpfe der Sicherheitsbeamten reichten. Die KollegInnen im Foyer rollten diese aus und legten sie weiträumig aus, so dass hinzukommende Gäste des Otto-Konzerns nur mühsam über sie hinweg steigen konnten.
Von außen drückten sich der Rest der Streikenden an den schönen Glasfenstern die Nase platt und beobachteten das ungewöhnliche Schauspiel. Herr Urbanke erschien. Ihm teilten die Kolleginnen und Kollegen eindringlich mit, wie dringend notwendig es ist, auf die Forderungen der Streikenden einzugehen. Herr Urbanke verpasste leider die Gelegenheit, eine Brücke zwischen Geschäftsleitung und Streikenden zu bauen, und verwies lediglich auf den am Montag stattfindenden Verhandlungstermin.
Abschließend sangen wir alle vor der Tür unser Lied: Ich werde es immer wieder tun … mit dir – Dies zur Erinnerung an die Geschäftsleitung, was passiert, wenn kein entsprechendes Angebot bei den Verhandlung gemacht wird. Wir kommen wieder – keine Frage!